Brigitte Hamann

Dr. Karl Lueger — der Volkstribun

Als überzeugter Schönerianer brauchte der junge H. einige Zeit, bis er Schönerers Intimfeind, den Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lue­ger, und dessen Christlichsoziale Partei schätzen lernte: Als ich nach Wien kam, stand ich beiden feindselig gegenüber Der Mann und die Bewegung galten in meinen Augen als »reaktionär«. Lueger war der »Herr von Wien«, seine Partei in Wien allmächtig, Georg Schönerer dagegen, dem einst Lueger huldigend einen Korn­blumenstrauß überreicht hatte, war ab 1907 politisch so gut wie (...)


Arian Schiffer-Nasserie

Polizei und Rassismus in den USA

Deutsche Medien berichten von Polizeigewalt in den USA meist erst, wenn es zu gewalttätigen Protesten kommt – „besorgt“ um die innere Ordnung des NATO-Partners. Die Frage, warum US-Polizisten regelmäßig afroamerikanische Bürger töten, spielt dabei kaum eine Rolle.
In der vergangenen Woche sterben innerhalb von 48 Stunden zwei Schwarze durch Polizeigewalt. In Minnesota wird der 32jährige Philando Castile in seinem Auto wegen eines defekten Rücklichts angehalten und während der Verkehrskontrolle (...)


Eveline Goodman-Thau

„Versäumte Aufgaben der Kritik“

Walter Benjamins geschichtshistorische und kunstkritische Schriften bilden ein Gesamtwerk, in dem sich die verschie­denen Strömungen der abendländischen Philosophie mit den Fragen der Zeit kreuzen, von denen er als Mensch und als Jude betroffen ist.
Die technische Fragestellung liquidiert die un­fruchtbare Alternative von Form und Inhalt. (Walter Benjamin, Fragmente zur Literaturkritik)
Benjamins Philosophie lässt jede Intention den „Tod an der Wahrheit“ sterben. (Ernst Bloch, Revueform in der (...)


Bukasa Di Tutu

Österreich für Alle gleich?

Der Nationalstaat war eine überzeugende Antwort auf die historische Herausforderung, ein funktionales Äquivalent für die in Auflösung begriffenen frühmodernen Formen der sozialen Integration, zu finden. Heute stehen wir vor einer analogen Herausforderung.
Die Globalisierung des Verkehrs und der Kommunikation, der wirtschaftlichen Produktion und ihrer Finanzierung, des Technologie- und Waffentransfers etc. fordern uns auf zu verstehen, dass die Probleme, innerhalb eines nationalstaatlichen (...)


Philipp Lenhard

Schlußstrich von links

Wir dürfen nicht müde werden zu drängen, diese große breite Volksbewegung zur Vereinigung Europas zu schaffen, das mehr sein muß als ein Europa von Kommissionen, als ein Europa von Administrationen, als ein Europa von Regierenden oder von Staaten, das ein Europa der Völker werden muß. Herbert Wehner, 1963
In jüngster Zeit ist zu beobachten, dass es der politischen Klasse offenbar nicht mehr ausreicht, Europa als ökonomisches Zweckbündnis von – im Weltmaßstab gesehen – räumlich dicht aneinander (...)


Ildikó Naetar-Bakcsi

Strukturelle Diskriminierung von MigrantInnen am Arbeitsplatz

Einleitung
Der vorliegende Artikel ist ein „Zwischenstopp“ in meiner Arbeit mit den Themen Migration und der Diskriminierung von MigrantInnen am Arbeitsmarkt. Als solcher beinhaltet er meine Erfahrungen, Gedanken und Analysen über die Probleme, mit denen ich sowohl als Migrantin der ersten Generation, als auch als Beraterin und Supervisorin in diesem Themenbereich in den letzten Jahren konfrontiert war.
Ich fasse in diesem Artikel diejenigen theoretischen Aspekte zusammen, die in meiner (...)


Heide Hammer

Othmar Spann

Einer wollte den Führer führen. Nein: Einige wollten den Führer führen und wirkten so im Zeichen des Führers. Ob Heidegger, Rosenberg oder Spann, die Qualität ihrer Beiträ­ge bleibt in diesem Kontext sekundär, wenn auch im Sinne der üblichen Vorwegnahme bei Spann die Betonung auf der philosophischen Stupidität liegen kann. Ihm gelang jedoch die For­mierung eines Kreises, der mehr als sechzig Jahre nach seiner eigenen Entfernung von der Universität, der heutigen WU-Wien, das Gewäsch von Ganzheit (...)


Alex Gruber

Sekundärer Antisemitismus

Die postfaschistische Demokratie baut auf dem Sozialpakt, den der Nationalsozialismus gewaltsam durchgesetzt hat auf und steht so in direkter Kontinuität zu diesem. Sie ist, ’strukturell gesehen, Realisierung des gleichen faschistischen Staatskonzeptes’, kehrt ’phäno­menal betrachtet aber die ganz anderen Züge eines demokratisch erneuerten parlamentarisch-repräsentativen Staatswesens’ hervor, etabliert sich jedoch sogleich wieder als ’faschistischer Ein­heitsstifter, als ein die paradoxe (...)


Lukas Germann

Negative Dialektik gegen Bewegungslinke

Die Neue Linke ist gekennzeichnet durch ein Praxisgebot, das längst zum Selbstzweck geworden ist. Der kritische Gedanke wird mit Argwohn und Misstrauen betrachtet; Theorie ist höchstens als Handlungsanleitung interessant. Mit Adorno lässt sich gerade darin ein wichtiger Grund dafür diagnostizieren, weshalb die Bewegungslinke immer mehr in offen reaktionäre Gefilde abdriftet.
Die Liquidation der Theorie durch Dogmatisierung und Denkverbot trug zur schlechten Praxis bei; dass Theorie ihre (...)


Alexander Pollak

Konturen medialen Antisemitismus in Österreich

Der Sieg der Alliierten im Jahr 1945 bedingte in Österreich zwar politisch einen radikalen Umbruch, doch gerade der Medienbereich war von personeller Kontinuität zur Nazi-Zeit gekennzeichnet.
Ein Großteil der JournalistInnen, die bereits vor 1945 die Medienlandschaft geprägt hatten, blieben auch nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes redaktionell tätig. Dennoch vollzog sich auch im Medienbereich ein Paradigmenwechsel. Die Berichterstattung wurde den neuen politischen (...)


Peter Bierl

„Schaffendes“ und „raffendes“ Kapital

Marx ist out, der Kapitalismus hat sich — vorerst — weltweit durchgesetzt. In den Köpfen der Menschen scheint es keine Alternative zu geben. Statt dessen haben Obskuranten, Rassisten und Antisemiten, Nationalisten und Regionalisten, Esoteriker und Biozentristen Zulauf.
Im Kern versprechen sie ihren Anhängern materielle und ideelle Privilegien auf Kosten anderer, als minderwertig definierter Menschen. Die sogenannten Tauschringe, die auf der Lehre des Sozialdarwinisten Silvio Gesell basieren, (...)


Herbert Auinger

Demokratischer Rassismus — menschenrechtlicher Antirassismus

Die Bekämpfung des Rassismus mit den Mitteln der Demokratie ist wie das Löschen des Feuers mit den Mitteln des Brandstifters.
Ihrem Selbstverständnis nach ist die Demokratie antirassistisch. Rassistische Verlautbarungen und Taten gelten als dem Ansehen der Nation abträgliche Entgleisungen und werden von den anderen Demokraten verurteilt. So geschehen bei den Auskünften der FPÖ-Abgeordneten Partik-Pablé über die „Negernatur“. Für die Frau Abgeordnete ergibt sich – diese Umdrehung ist der Kernpunkt (...)


Moishe Postone

Nationalsozialismus und Antisemitismus

Die öffentliche Diskussion über Antisemitismus und Nationalsozialismus ist in Westdeutschland gekennzeichnet durch den Gegensatz zwischen Liberalen und Konservativen auf der einen, Linken auf der anderen Seite. Liberale und Konservative haben, wo sie sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigen, ihre Aufmerksamkeit auf die Verfolgung und Ausrottung der Juden konzentriert, andere für den Nationalsozialismus zentrale Gesichtspunkte dagegen vernachlässigt. Damit sollte und soll auch der angeblich (...)


Ulrike Becker

Deutscher Arbeitswahn und Antisemitismus

Das Konzept der „deutschen Arbeit“ war und ist antisemitisch konnotiert. In seiner Abgrenzung von einer vermeintlich „jüdischen Arbeit“ vereint es Produktivitätswahn und Haß auf die Zirkulation.
Die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden fand statt unter der Losung „Arbeit macht frei“. Angebracht war diese Inschrift an den Eingangstoren der Konzentrationslager Auschwitz, Dachau, Flossenbürg, Sachsenhausen und Ravensbrück. Daniel Jonah Goldhagen hat in seinem Buch Hitlers willige (...)

Die LICRA in Österreich

Die LICRA wurde 1927 als eine der ersten modernen Nichtregierungsorganisationen gegründet und hält heute Beobachterstatus bei der UNO und der OSZE. Sie setzt sich gegen alle Formen der Diskriminierung, Menschenverachtung sowie gegen Politiken und Ideologien der Ungleichheit ein. Heute zählt sie mehr als 4000 Mitglieder und organisiert über 100 Veranstaltungen im Jahr. Neben der Zentrale in Paris unterhält die LICRA weltweit Niederlassungen in elf Ländern, darunter an den UNO-Sitzen New York und Genf, sowie am UNO- und OSZE-Sitz Wien.
Die österreichische Sektion der LICRA wurde 2001 gegründet. Zu den Aktivitäten der LICRA Österreich zählen den Werten der LICRA verpflichtete Symposien, Ausstellungen und Publikationen. Im Rahmen dieser Arbeit kooperierte die LICRA Österreich mit ENARA – European Network Against Racism, der Friedrich and Lillian Kiesler Stiftung, dem Institut für Konfliktforschung, Radio Ö1 und dem UNHCR. Zu den Vortragenden und Autoren der LICRA Österreich zählen Ivan Fischer, Ágnes Heller, Ruth Klüger, Robert Schindel, Rudolf Scholten, und Gáspár Miklós Tamás.