Ökologische Linke (ökoli) Wien

Wir und die Benes-Dekrete

Ein gemeinsam mit den österreichischen Infoläden, der Rosa Antifa, Mayday 2000 und der Grünalternativen Jugend unterstütztes Flugblatt gegen das Temelin-Volksbegehren hat zu einer scharfen Kritik an einer darin enthaltenen Distanzierung von den Benes-Dekreten geführt. Wir halten es für notwendig hier deshalb eine Klarstellung zu veröffentlichen:

1.

Das Flugblatt ist unter großem Zeitdruck hergestellt worden. Es bestand keine Zeit den Text in den Gruppen zu diskutieren, weshalb Einzelpersonen der verschiedenen Gruppen im wesenlichen nach dem Überfliegen des Textes ihre Zustimmung abgegeben haben. Dies traf auf uns, aber wie wir später erfahren hatten, auch auf andere UnterstützerInnen zu. Eine solche Vorgangsweise ist selbstverständlich kritikwürdig. Uns erschien in einer Situation die von massiven antitschechischen Agitationen geprägt war, aber die Tatsache wichtiger, daß ein solches Flugblatt und Plakat überhaupt noch rechtzeitig herauskommt, als die ausreichende Debatte über die Formulierungen.

2.

Wer die kritisierte Textstelle aus dem Zusammenhang reißt, liest das Flugblatt anders, als wir dies gelesen hatten. Zwar ist die Distanzierung von den Benes-Dekreten (insbesondere in Österreich) problematisch, sie diente im Flugblatt aber nur als Auftakt für ein „verständlich machen“ der damaligen Maßnahmen der tschechischen Regierung, die als Folge der deutschen Politik von 1938 bis 1945 gegenüber der tschechischen Bevölkerung gedeutet wurden. Dieser Kontext relativiert die im Auftakt dieser Textpassage erwähnte Distanzierung von den Benes-Dekreten.

3.

Tatsache ist für uns, daß die Benes-Dekrete aufgrund der Tatsache, daß die überwiegende Mehrheit der sudetendeutschen Bevölkerung die Maßnahmen der nationalsozialistischen BesatzerInnen der Tschechoslovakei unterstützt hatten und sich aktiv an der Schoa und der Unterdrückung der tschechischen Bevölkerung beteiligt hatten, also nicht nur staatliches, sondern auch volksgemeinschaftliches Handeln vorlag, für uns gerechtfertigt waren. Es ist verständlich, daß der wiedererstandene tschechische Staat diese hochverräterischen Teile der Bevölkerung, die den anderen Bevölkerungsgruppen der Tschechoslowakei so viel Leid zugefügt hatten, nach 1945 nicht mehr auf seinem Territorium dulden wollte.
Daß es dabei aber auch zu Übergriffen gekommen ist, liegt in der Natur kriegerischer Ereignisse. Die Benes-Dekrete selbst wurden in verschiedenen Teilen der Tschechoslowakei auch unterschiedlich gehandhabt. In einigen Regionen wurden sie sehr korrekt angewendet, das heißt, daß alle antifaschistischen Sudetendeutschen von der Vertreibung und Enteignung ausgenommen waren, in anderen Regionen wurde nicht so klar zwischen Nazis und ihren Mitläufern einerseits und AntifaschistInnen andererseits unterschieden. Daran Kritik zu üben mag in Österreich strategisch völlig falsch sein, ist aber inhaltlich gerechtfertigt und hat nichts mit einer Aufrechnung der Gräuel der NS-Besatzung Tschechiens mit den Benes-Dekreten zu tun.

Klar muß für uns sein, daß allen Versuchen die Benes-Dekrete heute als Argument gegen einen EU-Beitritt Tschechiens heranzuziehen oder gar auf Entschädigung oder „Wiedergutmachung“ der enteigneten Sudetendeutschen zu pochen, wie dies zur Zeit von der FPÖ betrieben wird, unseren entschiedenen Widerstand erfahren müssen.

Fuer volksdeutsche keine knete, hoch die benes-dekrete!

Der Text des kritisierten Flugblattes ist unter http://www.inode.at/rbh/rbh_archiv/Archiv02/99.htm nachzulesen.